Für den zermürbenden Aufstieg zwischen Nordmaling und Flärka durch brütende Hitze auf löchriger Schotterstrasse werden wir mit einem Beerenschmaus belohnt. Hier oben wächst die Moltebeere, auf Schwedisch Hjortron. Wir treffen einen Beerensammler, der uns ein paar Tipps gibt und schon legen wir uns selber ins Zeug.
Im nächsten ICA besorgen wir uns eine Packung Vanille-Eis. Die Beeren werden mit ein wenig Zucker aufgekocht und dann gibt es für alle eine grosse Portion Coup Hot Hjortron.
Zum ersten Mal sind uns die Schilder auf dem Weg von Karesuando in Richtung Süden aufgefallen und es hat ein Weilchen gedauert, bis uns klar wurde, dass «Artrik» nichts mit «Arktik» zu tun hat. Oder besser gesagt, erst als die Schilder auch weit südlich vom Polarkreis immer noch regelmässig auftauchten, sind wir misstrauisch geworden, haben genauer hingeschaut und endlich unseren Lesefehler bemerkt.
Wir konnten das Geheimnis lüften: «Artrik vägkant» heisst «Artenreicher Strassenrand». Strassenränder nehmen eine grosse Fläche ein und bieten Lebensraum für viele Pflanzen- und Insektenarten, die von der modernen Landwirtschaft zurückgedrängt werden. Die als «artenreiche Strassenränder» ausgewiesenen Abschnitte werden durch gezielte Massnahmen und angepasste Strassenpflege zusätzlich gefördert.
Und wirklich, die Vielfalt ist berauschend. Hier eine ganz kleine Auswahl:
Wo Pflanzen und Insekten gedeihen, finden auch Vögel einen Lebensraum. Während die Blumenwelt Schwedens der unseren sehr ähnlich ist, sehen wir viele Vögel, die man bei uns nicht oder nur mit Glück beobachten kann. Ab und zu gelingt uns sogar ein Foto.
Es werden in Skandinavien zurzeit etliche Hitzerekorde geknackt, entnehmen wir den Nachrichten. Unsere Fixpunkte während der Tagesetappen sind nun Badestrände und Eisbuden. Beides ist nicht immer leicht zu finden und es lohnt sich, mit den Einheimischen zu sprechen. In Åkullsjön will uns eine hilfsbereite Frau sogar gleich mit dem Auto zum Badeplatz des gleichnamigen Sees fahren. Es erweist sich aber als unkomplizierter, die zwei Kilometer mit dem Fahrrad selber zu meistern. Am Abend des gleichen Tages entdecken wir bei Botsmark einen Rastplatz am See, so dass es vor dem Schlafen nochmals einen Sprung ins Wasser gibt. Zwischen Rödånäs und Selet finden wir am nächsten Tag Dank der detaillierten Wegbeschreibung eines Passanten einen versteckten Strand am Fluss Vindelälven. Eigentlich sind wir nur auf der Suche nach einem Mittagsplätzchen mit Abkühlungsmöglichkeit. Aber der Platz bietet alles, was wir brauchen und wir bleiben gleich für zwei Nächte. Dass wir deswegen mit den vorhandenen Lebensmitteln sehr haushälterisch umgehen müssen, nehmen wir gerne in Kauf.
Vielleicht ist es dem übermässigen Badespass zu verschulden, dass Timo, Alina und Steffi nun mit einer Erkältung zu kämpfen haben? Nicht weiter schlimm, aber ein zusätzlicher Grund, das Tempo zu drosseln. Wir haben keine Eile und fahren deshalb von unserem Traumstrand nur die 30 km bis Vännäs, wo der nächste Campingplatz liegt. Hier bleiben wir, bis sich alle wieder fit fühlen und/oder die Temperaturen sinken.
Ja, es gibt wirklich fast so viele Stechviecher in Schweden, wie Schauermärchen dazu. Und ja, sie können wirklich sehr lästig werden. Neben den Stechmücken, die mit ihren Rüsseln dummerweise auch Stoff durchdringen können, ärgern uns zum Beispiel die kleinen schwarzen Kriebelmücken und Gnitzen sowie Bremsen in allen Grössen.
Wir fahren teilweise durch Gebiete, in denen schon ein Pinkelhalt verheerende Folgen haben kann. Aber man entwickelt beim Reisen in der Natur schnell ein recht zuverlässiges Gespür dafür, ob ein Ort geeignet ist als Pausen- oder Schlafplatz. Allenfalls hilft es, ein bisschen abzuwarten. Wird man nach fünf Minuten noch nicht von unzähligen Mücken umschwirrt, wird die Situation mindestens erträglich bleiben. Mit Glück findet man sogar einen Platz, an dem man fast ungestört bleibt. Das ist natürlich nicht immer möglich, weshalb es gewisse Methoden braucht, die Tierchen zu überlisten. Die handelsüblichen Abwehrmittelchen sind uns nicht sympathisch. Deren Gestank ist fast noch lästiger, als die Mücken selber. Wie man hier sieht, haben wir ein paar andere Tricks auf Lager:
15 Liter Trinkwasser füllen wir auf, wenn wir die Möglichkeit dazu haben. Das reicht je nach Wetter für ein bis zwei Tage. Wenn es eng wird, haben wir jederzeit die Möglichkeit, mit unserem Wasserfilter an einem See oder Bach Trinkwasser zu pumpen. «Fischwasser» wird das bei uns genannt, obwohl es trotz der leichten Färbung meistens absolut neutral schmeckt.
Am einfachsten ist es natürlich, die Flaschen auf einem Campingplatz aufzufüllen. Da wir aber die meisten Nächte irgendwo in der Wildnis verbringen, brauchen wir auch andere Quellen. So kommt es, dass wir regelmässig bei Kirchen Halt machen, denn die Wasserstellen auf den Friedhöfen führen fast immer Trinkwasser. Zu Beginn unserer Reise erbrachten unsere Kirchenstopps häufig nicht das erwünschte Ergebnis, denn so lange mit Frostnächten zu rechnen war, waren die meisten Wasserhähne ausser Betrieb. In solchen Fällen hat uns manchmal der Friedhofgärtner weitergeholfen oder wir mussten halt unverrichteter Dinge weiterfahren und uns mit Fischwasser begnügen.
Der Vollständigkeit halber wollen wir noch die «Wasserkirchen» ergänzen, die nach dem Verfassen dieses Beitrags dazugekommen sind.
Beim Start unserer Reise roch es nach Frühling. Dann kam der Winter zurück und die beiden lieferten sich ein wochenlanges Duell. Gewonnen hat keiner, denn jetzt herrscht der Sommer.